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DIE INSEL / VALLE GRAN REY

Von Stefan Huropp
Valle Gran Rey ist ein Sammelsurium der unterschiedlichsten Typen, die auf der Suche sind. Manche tarnen sich als wären sie angekommen. Es gibt den Informatiker aus der Schweiz mit Millionenprojekt, den Markthändler aus den Mittelalpen, der einmal im Jahr sechs Wochen auf der Kölner Domplatte zu Weihnachten Käse verkauft, die Delfinhomöopathin, den Steinereiber, der an Playa del Inglés den Tag formend unter seinem Sonnenschirm verbringt.
Zu Besuch kommen der Pauschi, vorzugsweise mit Kind, der Dread-tragende Ismusmischer, der die dreizehn zur wichtigsten Zahl postuliert, aus Österreich, sichtbar südlicher Abstammung, aber in Deutschland aufgewachsen, war lange in Jamaika und lebt jetzt als Tischler mit seiner Freundin in London; der Gras-dealende Jurastudent aus Rostock, eloquent-unauffällig, der verdeckte Ermittler, sportiv, ziegenbärtig, joggt nach dem Aufstehen wie andere urinieren. Weiter oben im Tal gibt's die Künstlerkolonie und Ganzheitsmassagen, vorzugsweise an Neumond. Einige sind schon immer da. Sie sitzen am Hafen, wenn die Sonne aufgeht bis sie untergeht, mit lustigen Hütchen und Bärten, wild ausgebleichten Augenbrauen und Wimpern. Sie sitzen auf Pepes Bank bei der Maria am Meer, von zehn bis zehn; um viertel vor elf werden die Möwen mit den Fischabfällen des Morgens versorgt und wackeln vorher schon eine halbe Stunde auf Abruf wie Schießbudenelefanten auf den Wellenköpfchen.
Die anderen eröffnen freundliche Shops, in denen der eine die Idee des andern plagiiert, Räucherstäbchen verkauft, indischen bis esoterischen Schnick-Schnack, von billig bis gehoben, vor allem in der Preisgestaltung. Manche auch weniger freundlich, wie die Dame mit dem unglaublichen Hund beweist, die dem Einbeinigen ein Fahrrad zur Fortbewegung leiht, um ihm dann übellaunig jenes, im Fahrzeug am Strand hinter ihm hereilend wieder abzunehmen, weil er, ungeachtet der hinterlegten Kaution, das Fahrrad um siebzehn, statt um sechzehn Uhr noch nicht abgegeben hat. Ihr Gesichtsausdruck zeigt klar, dass sie auch immer auf der Suche bleiben wird. Zwar hier im vermeintlichen Paradies angekommen ist, aber die Sorgen mitgenommen hat.
Alle anderen suchen in umfassenden Varianten. Natur, Stille, Leben, Energien, Erkenntnisse, Sinn, Inspiration, Erholung, Vergessen. Manche finden: der Bilderflut-Tonfänger, der Seitenschlagholzblasstreichtrommel-musiker, der Beobachtniedermalschreibworthaufentürmer, der Letztparadiessucher, der Farbenwindwettermeer-sternbeeindruckte. Wegen der Zigarettenpreise raucht man unterlasslos, abends ist man durch fehlende Spirituosensteuer berauscht; man kommt wunderbar ins Gespräch. Talente werden hier getauscht, Ergänzungsmenschen gefunden, man füllt sich auf mit dem Genuss des Lebens, einer seltenen Gemeinschaft, Leichtigkeit, den Sternen, den rotbraunleuchtenden Felsen, dem Nachtstundenemissionsplan der Natur: Hühner, Frösche, Hunde, Katzen und dann wieder umgekehrt, über allem die Schallwellen des Ozeans, sie brechen sich durchs ganze Tal. Die Einheimischen halten sich an die Erstellung von Infrastruktur, Gastronomie, den Lebensmittelhandel und die Vermietung von Appartments, Leihwagen. Schlüsselwelten, aber weitgehend raus. Außer sie fühlen sich in ihrem Geschäft beschnitten, sonst gewinnt man den Eindruck der Duldung aus wirtschaftlichen Gründen, man lebt nebeneinander und beäugt sich durchaus. Manchmal vermischt man sich beim Anblick des Sonnenunterganges an der Playa jedoch einträchtig, während der rotglühendfeurige Froschkönigsball hinterm Horizont abtaucht, grellschlierige Wolkenzeichnungen, die brennen, verklärte Gesichter, von Ohr zu Ohr Inselzeitung tauschend, und die eintretende Dunkelheit ist die Offenbarung, die den ersten Schnaps des Abends einleitet.
Die Sonne geht mit Feuerjonglage und -kibidoo, die Feuerbällchen an der Schnur verschwimmen vor den Augen zu Kreisen und flackernden Spiralen. Die freiwerdenden Gedanken, Erinnerungen und Wünsche finden in die Münder und hier umgehend einen Austauschpartner, in der Lage, aus seinem Erfahrungsschatz die fehlenden Gedankenperspektiven und -glieder zu liefern. Es ist ein guter Ort nahe des Null-Meridian, vielleicht ein Grund, warum manche Kräfte wie aufgehoben scheinen. Man kann sein, die Dinge finden sich.